Was ich am liebsten sehen will
![]() |
![]() |
![]() |
»Glück« – eine sehr spezielle Vernissage und dazu eine sehr persönliche Reportage.
In der Tat hätte es, als ich mich an diesem kalt-regnerischen Novemberabend zur leuchtenden Galerie Flieder 17 durchgekämpft hatte, kaum etwas gegeben, das ich lieber gesehen hätte, als Uli Krappens Bilder. Denn auf einmal war ich umgeben von Aufmunterung. Die von Herrn und Frau Nass mit begeisterter Unorthodoxie aufgehängten Bilder, erquickten schon auf den ersten Blick meine Seele mit ihren reinen Farben und Themen. Doch bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass die Titel eine weitere Dimension transportierten und mich auch auf einer intellektuelleren Ebene unweigerlich zum Schmunzeln brachten.
»Hausfrau, unter starkem Leistungsdruck zu Obst mutiert« wurde sofort mein persönliches Lieblingsbild. Hier wird man offenbar zur Erdbeere; und welche gestresste Hausfrau würde ihr (unweigerliches) Scheitern in Form einer so köstlichen Frucht nicht leichter ertragen? Andere Bilder tragen Titel wie »Jubel«, »Die interne Schweinekatze«, »Beschütze dieses Haus« (hier kommt ein Teebeutel ins Spiel!), »Mir egal«, »Na siehste« (ein Kind mit seiner Puppe im Bett) oder »Heldentage« (ein kleiner Junge mit einem Häschen, der in wilder Verteidigungsbereitschaft durch eine halboffene Tür späht). Liebevolle, befreiende Erinnerungen an die magische Kindheitswirklichkeit.
»Mein persönliches Lieblingsbild ist wohl ›Treffpunkt Sunkist‹, denn wenn wir als Kinder zum Spielen rausgeschickt wurden, drückte man uns immer ein ›Sunkist‹-Tertrapack in die Hand«, erzählt die Künstlerin, die extra für ein halbes Jahr in die französische Provinz Langedoc fuhr, um dort die Bilder für die aktuelle Vernissage zu malen. »Damals war noch nicht alles, was man fühlen konnte, kommerzialisiert, und deshalb ist ›Sunkist‹ für mich ein Symbol dieses abenteuerlustigen Kinderzustands.«
Ihr anderes Lieblingsbild ist »Out of the storm« (etwa: Schutz vor dem Sturm), eine Kindergruppe, zärtlich bewahrt in einer schützenden Hand. Und dann gibt es noch »Suprerrat«: das kühne Ganzkörperprofil einer schnuppernden Ratte, im absoluten Glück eines leuchtend türkisfarbenen Horizonts. Wie kam es zu diesem Bild? »Ich hatte mal eine Ratte in meinem Atelier«, erzählt die Künstlerin. »Meist lebe ich auf einem Bauernhof bei Marburg und male in einer ehemaligen Scheune. Mäuse waren schlimm genug, aber eines Tages entdeckte ich diese Ratte – und ich muss gestehen, dass augenblicklich all meine traditionellen Reaktionen einklickten: ›Iiiih, wie eklig! Tu es weg!‹« Nachdem ein Kammerjäger die direkte Bedrohung eliminiert hatte, reflektierte sie das Ausmaß ihrer Vorurteile und malte unter anderem das Bild einer Ratte, die mit emporgereckten Pfötchen tot auf dem Rücken liegt. »Und auf einmal tat sie mir Leid. Danach ist ›Superrat‹ entstanden. Die Superratte ist immer da, wo es leuchtet!«
Uli Krappen wurde 1961 bei Krefeld geboren und studierte in München Sprachen und Kunst. Seit 1995 präsentierte sie ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen, Buchillustrationen und Fassadengestaltungen. In der Galerie Flieder 17, mit der sie schon seit ihrer ersten dortigen Ausstellung 2014 verbunden ist, hängt selbst in der Küche eins ihrer Bilder – mit dem Titel: »Die-ärgere-mich-lieber-nicht-Rakete«.
»Ich möchte nichts Schreckliches auf einem Bild sehen – davon sehe ich im Alltag genug«, erklärt Uli Krappen. »Wenn ich miese Laune habe, kann ich nicht malen, sondern muss mich erst wieder innerlich auffüllen, mit Natur- oder Kunsterlebnissen. Das Schöne bringt das Schöne hervor.«
Da wir dem Ehepaar Nass und ihrem Engagement so viele Highlights im Kiezalltag verdanken, möchte ich zum Abschluss die Galeriebesitzerin zitieren: »Ich bin so dankbar, dass wir das machen können, statt nur vor dem Fernseher zu hocken.« Allen Kiezbewohnern sei die Ausstellung wärmstens empfohlen.
Sabina Trooger-Benestante