23.09.2015
Tag der offenen Tür im Pangea-Haus

»Vielfalt und Verständigung«, das wäre eine von vielen Möglichkeiten, den Tag der offenen Tür des Pangea-Hauses zu überschreiben. Am 18.9. hatten die Mieter des Hauses in der Trautenaustraße eingeladen, um sich zu präsentieren und gemeinsam mit Organisatoren, Politikern und allen Interessierten zu feiern.
Schon seit sechs Jahren existiert das Pangea-Haus. Im Besitz des Bezirks bietet es Organisationen mit interkulturellem Tätigkeitsschwerpunkt, günstige Räumlichkeiten. Die Angebote sind dabei so divers wie die Wurzeln derer, die dort arbeiten. Vom kultursensiblen Pflegedienst bis zur sozialtherapeutischen Beratung für junge Migranten. Die Arbeiterwohlfahrt hat ebenso ein Büro wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Matter oder Kiez.FM, ein Verein, der partizipativen Journalismus fördert. Dass aus dem Nebeneinander der vielen Mieter (das Haus ist vollständig »ausgebucht«)auch ein starkes Miteinander geworden ist, wurden alle Beteiligten nicht müde zu betonen.
Hier habe sich aus einer guten Idee ganz organisch ein noch besseres Ergebnis entwickelt, das sich qualitativ auch von anderen vergleichbaren Häusern in Berlin abhebe. Das unterstrich Azize Tank, Bundestagsabgeordnete für Die Linke und ehemalige Migrationsbeauftragte des Bezirks in einer kurzen Rede. Sie war es, die die Idee für das Pangea-Haus auf den Weg brachte und parteiübergreifend Zustimmung sammeln konnte.
Nun wurde gerade erst das Bestehen dieser Idee bis zum Jahr 2020 gesichert. Es gab also Grund zu feiern. Das bunte Rahmenprogramm aus musikalischen Beiträgen, Reden und einer Podiumsdiskussion ließ jedoch auch genug Platz für problematische Themen und kritische Töne.
Den Beginn machte das Musikensemble »Sistanagila«. Eine symbolträchtige Kooperation von iranischen und israelischen Musikerinnen und Musikern. Aus der Idee heraus geboren, den antisemitischen Tiraden des ehemaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad eine andere Stimme entgegenzusetzen.
Die Zivilgesellschaft findet oftmals praktische Lösungen bevor die Politik reagieren kann.
Bei Speisen und Getränken eines multikulturellen Buffets war danach Zeit für Gespräche. Die Idee von Inklusion und Kommunikation schwebte auch dabei – gewollt oder nicht – über dem Geschehen. Zwar waren nämlich Informationsflyer und Broschüren ausgelegt. Wer aber das persönliche Gespräch suchte, musste sich durchfragen. Sich einmischen. Frontalinformation, Stände und Theken suchte man vergeblich.
Überhaupt, das »Einmischen« – ein weiterer Schwerpunkt des Nachmittags. In den drei kurzen Ansprachen von Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann, BVV-Vorsteherin Judith Stückler und Azize Tank, war das Einmischen der Bürger als wichtiger Teil von Integrationsprozessen Thema.
Naumann, der mit einer Delegation des Integrationsrats der Partnerstadt Mannheim zu Gast war, bedankte sich explizit bei der Zivilgesellschaft. Sie finde oftmals praktische Lösungen bevor die Politik überhaupt reagieren könne, was sich gerade in der aktuellen Flüchtlingssituation wieder zeige. Judith Stückler kam gerade von der Verleihung des Ehrenamtspreises und lobte die Arbeit der vielen ehrenamtlich Tätigen im Bezirk, die »auch gesehen werden muss«. Daher sei die Würdigung dieses Engagements sehr wichtig. Azize Tank erzählte von der Gründung des Pangea-Hauses, die von allen Fraktionen in der BVV mitgetragen worden war. »Es hat Spaß gemacht, etwas parteiübergreifend angepackt zu haben«. Dabei bedankte sie sich aber auch bei den vielen Menschen, die außerhalb der Politik mitgeholfen haben, die Idee des Hauses umzusetzen.
Wer soll eigentlich worein integriert werden?
In der darauf folgenden Podiumsdiskussion mit Frau Tank, Annegret Hansen vom BVV-Vorstand und Nadia Rouhani, Bezirksverordnete der Grünen, waren wiederum die Zuhörer aufgefordert, sich einzumischen. Jeder der wollte, konnte auf dem Podium Platz nehmen. Ein Konzept, das aufging.
Das Thema der Diskussion sollte »Integration« sein. Dazu befragt, setzte jede der drei Politikerinnen einen anderen Fokus. Azize Tank stellte die weltpolitische Verantwortung Deutschlands und Europas heraus. Angesichts des Wohlstands in Deutschland fragte sie: »Man hört immer Überforderung. Was überfordert uns denn überhaupt?« Frau Rouhani sah in der aktuellen Situation auch Chancen. Die Zivilgesellschaft mache es vor und die Politik müsse sich daran orientieren, wie kurzfristig Änderungen herbeigeführt werden könnten. Sie erhoffe sich von der Lage einen »Verwaltungsinnovationsschub«. Integrationsprobleme seien auch Bildungsprobleme – und daran müsse noch viel gearbeitet werden. Frau Hansen gab dagegen zu bedenken, dass bei der aktuellen Fokussierung auf das Thema Flüchtlinge, nicht die bestehenden Probleme beim Thema Integration übersehen werden dürften. Sie machte unter anderem den Personalabbau der Vergangenheit für aktuelle Problem mit verantwortlich.
Dass das Einmischen in solche Diskussionen einen interessanten Perspektivwechsel erzeugen kann, zeigte sich bei einer jungen Frau, die auf dem Podium Platz nahm und das Wort »Integration« generell als unpassend deklarierte. Sie stellte die durchaus berechtigte Frage: »Wer soll eigentlich worein integriert werden?« Das Wort stelle in sich schon eine Trennung her. Statt getrennt zu denken, sollten wir aber gemeinsam denken. Eine Aussage, die Applaus erntete. Nihat Sorgec vom »Bildungswerk in Kreuzberg«, der sich ebenfalls dazu gesetzt hatte, erklärte aus eigener Erfahrung: »Wir müssen keine Propheten sein. Wir wissen schon, wie Integration funktionieren kann.« Insbesondere in die (Aus-)Bildung junger Menschen müsse investiert werden. Aber es sei eine Frage der Mittel, die dafür bereitgestellt würden.
So blieb als Schlussgedanke des Tages wohl insbesondere eine Erkenntnis. Zivilgesellschaftliches Engagement, ehrenamtliche Helfer, Bürger mit neuen Ideen, sind nötig, um aus politischen Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Wie es aussehen kann, wenn Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam ein Ziel verfolgen, dafür ist das Pangea-Haus ein gutes Beispiel.
Johannes Blech
Fotos: KiB