16.01.2015
Guter Wille in Aktion
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Stadtteilgebet im Rahmen der Allianz-Gebetswoche
Unter der Leitung von Hendrik Kissel von der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Berlin-Charlottenburg fand am 15.1. im Charlottenburger Rathaus das Stadtteilgebet der Evangelischen Allianz statt. »Gaststar« war der stellvertretende Bezirksbürgermeister Carsten Engelmann, ein echter Charlottenburger, der in unmittelbarer Nähe des Rathauses aufwuchs, seine Ausbildungsjahre dort absolvierte und seine heutige Position als echte Auftragserfüllung begreift. An die 50 Menschen aus fünf verschiedenen Gemeinden, darunter vier Pastoren, versammelten sich im edlen, holzgetäfelten »Minna Cauer Saal«, um gemeinsam vor allem für die Obdachlosen- und Asylantensituation im Bezirk zu beten.
»Unser Kiez – ein Stadtteil mit Willkommenskultur«: mehr als ein gefälliger Slogan
»Flüchtlinge geraten oft in die falschen Hände«, erklärte Engelmann. »Häufig erhalten sie von Schleppern, denen sie ihre gesamten Ersparnisse geben, keinerlei Information und enden dann als wohnungslose Bettler auf unseren Straßen. Diese Menschen sind keineswegs arbeitsscheu – sie wissen einfach nicht, an wen sie sich wenden müssen, um Jobs und Hilfe zu bekommen. Als Passanten haben wir die Möglichkeit, sie auf unsere sozialen Einrichtungen und das Jobcenter aufmerksam zu machen.«
Schutz und sanitäre Einrichtungen bieten in unserem Kiez vor allem die Stadtmission, einige Nachtcafés, sowie das »Haus des Sports«, in dem für den Winter 40 Not-Schlafplätze bereit gestellt wurden. Kleider- und sonstige Sachspenden werden gern entgegengenommen!
»Schön und gut – aber wieso werden quasi über Nacht Asylantenheime eröffnet, ohne dass die unmittelbaren Nachbarn auch nur eine Vorwarnung erhalten? Wo bleibt da das Mitspracherecht des Bürgers?«, provozierte Hendrik Kissel; sicher im Namen vieler betroffener Anwohner. Carsten Engelmann beleuchtete diese Problematik von der anderen Seite.»Flüchtlinge melden sich ja nicht an«, erklärte er, »und da es in Berlin keine Extra-Notunterkünfte auf Vorrat gibt, müssen wir zusammen mit dem Liegenschaftsamt oft spontan reagieren. Betroffene Bürger können sich jedoch jederzeit direkt an die Fraktionen wenden, oder zur BVV-Fragestunde kommen, oder Einwohneranträge an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) stellen.« Das Hauptproblem bei dem plötzlichen Eintreffen so vieler Fremder in eine bisher friedliche Nachbarschaft sei jedoch die Angst, erläuterte er – Angst vor dem Unbekannten, vor der Sprachbarriere; Angst davor, überrollt zu werden.
»In unserem Kiez haben wir derzeit Flüchtlinge aus mindestens 15 Nationen«, erklärte er. »Viele sind traumatisiert und bräuchten dringend Ruhe und Frieden – stattdessen finden sie sich in Massenschlafsälen wieder und müssen komplizierte Amtswege in einer fremden Sprache bewältigen. Niemand sucht es sich aus, Flüchtling zu sein!«
Eine große Hilfe seien die vielen ehrenamtlichen Helfer, die sich in Asylantenheimen engagieren; viele davon aus den Kirchengemeinden. »Dafür sind wir sehr dankbar«, betonte Engelmann. »Jeder direkte Kontakt hilft! Das wichtigste ist der Austausch, das persönliche Kennenlernen. Wer Asylanten direkt begegnet oder sie sogar betreut, etwa bei Hoffesten, durch Sprachunterricht, Amtshilfe oder Kinderaktivitäten, verliert automatisch seine Angst!« Im Gegensatz zu den Dresdener Pegida-Demonstrationen, deren Vergleich mit den Freiheitsdemos von 1989 Engelmann für absurd hält. »Damals ging es um Freiheit für alle, was mit der heutigen Situation nicht das Geringste zu tun hat. Angst in ein schlechter Ratgeber!«
Dringender Bedarf an ehrenamtlichem Kontakt besteht derzeit vor allem im Asylantenheim am Kaiserdamm, da es dort kaum Kinder gibt – und es sind die Kinder, die meist den ersten Kontakt erleichtern. »Vorbildlich sind ehemalige Asylanten aus aller Herren Länder, die etwa als Chor Asylantenheime besuchen und in ihrem gebrochenen Deutsch dort gemeinsam Lieder singen.«
Beendet wurde dieser komplexe Themenkreis, für den in kleinen Gruppen gebetet wurde, durch das gemeinsame Singen des »Laudate Dominum« (Lobsingt, ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn.)
Sabina Trooger Benestante