03.05.2016
Gewaltsamer Tod in unserem Kiez
Ohmmacht, Trauer, Fakten – und viele offene Fragen
Im September 2011 starb Guiseppe Marcone in den frühen Morgenstunden auf dem Kaiserdamm. Er war vor zwei aggressiven Jugendlichen aus dem U-Bahnhof geflohen und rannte direkt vor ein Auto. In ihrem neuen Buch »Das kurze Leben des Guiseppe M. – ein Opfer von Jugendgewalt« untersucht die renommierte Autorin Roswitha Quadflieg die Hintergründe des Lebens von Guiseppe Marcone, das kurz nach seinem 23. Geburtstag in einer Tragödie endete.
Es ist ein Buch, das aufwühlt und betroffen macht.
Denn Roswitha Quadflieg bietet keine Antworten – sie wirft vielmehr Fragen auf. Über Gewalt, insbesondere Jugendgewalt, und über die Unfähigkeit unserer Gesellschaft, damit umzugehen. Über ein Justizsystem, das sich allzu oft mehr um die Täter sorgt, als um die Opfer. Denn ihr Buch verzichtet auf jeden Kommentar. Stattdessen kommen all jene zu Wort, die Guiseppe nahe standen: Familienmitglieder, Freunde, Lehrer, die Täter, Anwälte und der unglückliche Autofahrer. Authentische Stimmen, die uns direkt ansprechen und uns mit einer Situation konfrontieren, die sich so oder ähnlich täglich irgendwo abspielt. Ein faszinierendes Spektrum sehr persönlicher Reaktionen auf etwas Entsetzliches, das sich nicht pauschal einordnen lässt; eine Realität, die man nicht mehr verdrängen kann, sobald sie einen selbst betrifft. Und so entwickelt sich das Buch beim Lesen zu einem Appell an uns alle, wach und mutig zu sein, aktiv das Positive zu suchen und jederzeit verantwortungsbewusst zu handeln.
»Das Leben ist seit seinem Tod viel intensiver geworden«, schließt Guiseppes Mutter Vaja die Interviews ab. »Wir haben auf der Fußgängerinsel am U-Bahnhof Kaiserdamm einen Baum gepflanzt. Ich möchte die Menschen animieren, hinzuschauen. Sich zu freuen, dass es Guiseppe gab. Nicht zu trauern, sondern sich an seine Energie anzuschließen.« Auf der Fußgängerinsel ist dieser Baum inzwischen das Herzstück eines Mahnmals, das uns Guiseppes Energie nahe bringt. Und die war durch und durch positiv.
Sabina Trooger-Benestante