11.05.2017
Die Vielfalt des Ewigen
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Bereicherung und Neugier statt Angst vor dem Unbekannten
Es gibt wohl keinen perfekteren Rahmen für die inspirierende Ausstellung »Zeig mir was du glaubst« als die Villa Oppenheim; war sie doch einst Familiensitz der Nachkommen des großen Aufklärungs-Philosophen Moses Mendelssohn. Dieser kluge Berliner des 18. Jahrhunderts diente seinem Freund, dem bahnbrechenden Dichter Lessing, laut vieler Zeitzeugen sogar als Vorbild für die Titelfigur seines Klassikers »Nathan der Weise«, dessen berühmte »Ringparabel« schon damals der religiösen Intoleranz mit einer tief verwurzelten Versöhnung entgegentrat.
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Allerdings ist bei Lessing nur von drei Religionen die Rede: dem Judentum, dem Christentum und dem Islam. Alles andere war im damaligen Mitteleuropa allenfalls ein fernes Munkeln. Heute dagegen ist es unser Privileg, Zugang zur Gesamtheit der globalen Glaubensvielfalt zu haben, und unser Kiez Wilmersdorf-Charlottenburg darf stolz auf seinen »Schatz von religiösen Unterschiedlichkeiten aus über 100 Ländern« sein, wie es Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann in seiner Eröffnungsrede ausdrückte. Genau 72 Glaubensgemeinschaften gibt es bei uns, deren Bandbreite sowohl historisch verwurzelte christliche Kirchen, Moscheen und Synagogen, als auch fernöstlich geprägte Tempel verschiedenster Couleur umspannt.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag und das Lutherjahr beweisen, dass der Glaube auch in unserer materialistisch geprägten Welt immer noch eine Rolle spielt. Die Suche der Menschen nach dem Ewigen, global Gültigen ist so alt wie die Menschheit selbst; und wer mehr über die verschiedenen Annäherungsformen an dieses »Wesentliche« erfahren will, findet in der Villa Oppenheim nicht nur eine Vielzahl von inspirierenden, visuellen Eindrücken, sondern auch ganz konkrete Hinweise. Etwa eine großflächige Landkarte unseres Kiezes, auf der sämtliche Gebäude religiöser Prägung in praktischen Farbcodes verzeichnet sind. Die Kuratorin Dr. Sabine Witt hat mit ihrem Team für alle 72 Glaubensgemeinden Steckbriefe mit Foto und Kurzbeschreibung zusammengestellt. Spannend und informativ ist auch das an zwei Wänden prangende »Alphabet der Glaubensvielfalt«, wo von Abendmahl bis Zen gängige Begriffe aus den wichtigsten Religionen kurz erklärt werden.
»Die Zusammenstellung dieser Ausstellung war auch für uns ein Lernprozess und hat mir einen lang gehegten Traum erfüllt«, erzählte Dr. Witt, deren persönliches Engagement für Toleranz und Vielfalt in der barrierefreien Ausstellung auf Schritt und Tritt zu spüren ist.
»Zeig mir was du glaubst« ist noch bis zum 5. November 2017 in der Villa Oppenheim, Schloßstr. 55/Otto-Grüneberg-Weg zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Sabina Trooger Benestante
Foto: Sabina Trooger Benestante